Eintrag 0012

26.12.2021:

Gestern war ich in Beetzendorf und habe mir den stillgelegten Bahnhof angesehen. Seit gut zwanzig Jahren fährt hier kein Zug mehr. Früher konnte man von hier nach Salzwedel oder Oebisfelde fahren. Und noch viel früher auch in kleinere Ortschaften wie Diesdorf oder Kalbe/Milde.

Ich habe alte Fotos gesehen, die um die Jahrhundertwende aufgenommen wurden. Eine ganze Abordnung von Eisenbahnern, die vor diesem Gebäude sich ablichten ließen, den Blick fest in die Zukunft gerichtet. Die Zukunft ist vorbei, das Gebäude hat seine Funktion, vor allem aber seinen Glanz verloren. Den Gebäuden drum herum geht es nicht besser.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Bahnhof weitere zwanzig Jahre Leerstand übersteht. Wie hier, sehen viele, praktisch alle Bahnhöfe in der Gegend aus. Das Stein gewordene Zukunftsversprechen hat ausgedient. Bahnhöfe als Dorf- und Lebensmittelpunkte werden nicht mehr gebraucht. Wer kein Auto hat, bleibt wo er ist, dem Rest steht die weite Welt offen. 

In den Neunzigern ist mein Opa regelmäßig zum Bahnhof gegangen und hat ihn von allen Seiten fotografiert und ausgemessen. Zu Hause hat er Grund- und Seitenrisse vom Hauptgebäude angefertigt. Dann hat er ihn für seine Modelleisenbahn nachgebaut. Neben ihm sitzend und zuschauend, wollte ich damals wissen warum er das macht. Er sagte dann, dass es Sachen gibt, die man für die Nachwelt erhalten muss. Als ich ihm vor zwei Tagen davon erzählt habe, hat er schelmisch gegrinst.

Mal schauen, ob ich es schaffen werde diesen Bahnhof zu erhalten. Wenn hier im wirklichen Leben schon keine Züge mehr fahren, so werden sie es vielleicht irgendwann in der Literatur wieder. Und dort sind sie dann auch sicher vor der Zukunft. 

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Eintrag 0011

13.12.2021:

Gestern habe ich mich hingesetzt und die ersten Worte eines Textes geschrieben, von dem ich hoffe, dass aus ihm etwas größeres entstehen kann. Gedanken habe ich mir schon oft darüber gemacht. Was mir von Anfang an klar war, war der Ort. Nachdem ich im ersten Roman einen Text geschrieben habe, der im sächsischen Leipzig, in einer Großstadt, spielt, möchte ich nun den absoluten Gegensatz haben. Ein Dorf. Ein kleines Dorf in der ostdeutschen Provinz, weit weg von großen Städten und ihren Konflikten.

Ich weiß noch nicht genau wohin die Reise geht, merke aber schon jetzt, dass ich hier ganz anders herangehen werde, als ich das im vorherigen Text konnte.

Ich halte euch auf dem Laufenden – auch wenn daraus nichts werden sollte, das kann ja auch spannend sein.

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Eintrag 0010

23.11.2021:

Die letzte Woche war ich damit beschäftigt die Fahnenkorrektur an meinem Text durchzusehen. Es kann sein, dass ich da was falsch verstanden hatte, aber ich dachte immer, dass eine Fahnenkorrektur so aussieht, dass man einen fetten Stapel Papier in die Hand gedrückt bekommt. In meiner Vorstellung wären an einzelnen Seiten kleine Fahnen gewesen, die die Stellen markierten, die der Lektor zum Überarbeiten vorschlug.

Nun ja. Wir leben im digitalen Zeitalter. Man bekommt kein Papier. Meine Vorstellung war da etwas naiv.

Die Korrektur sah im Wesentlichen so aus, dass ich den Text laut eingesprochen habe, und dabei nach Fehlern oder Dingen gesucht habe, die ich im allerletzten Moment noch unbedingt ändern wollte. Tatsächlich gab es gar nicht so viel, das ich ändern wollte. Ich habe es eher als reine Lektüre gesehen, und vor allem auch genossen. Es war ein bisschen so, als würde ich den Roman eines anderen lesen, was sicher daran lag, dass die gesetzte Textversion so ganz anders aussieht als der Text, mit ich hier die letzten Jahre gearbeitet hatte.

Ich bin sehr zufrieden mit meinem Buch. Die Figuren, vor allem die weiblichen, sind stark, und haben meiner Meinung nach, unglaublich viel Tiefgang. Die Konflikte erscheinen mir äußerst realistisch und überhaupt wird da eine Geschichte erzählt, die ich selbst gerne lese.

Noch gut drei Monate, dann liegt es im Handel aus. Am 16.02.2022 wird es erscheinen.

Aus unseren Feuern, Kanon Verlag Berlin.

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Eintrag 0009

20.10.2021:

Es ist soweit. Ich bin in der heißen Phase meines ersten Romans. Am letzten Wochenende war ich in Berlin, und bin mit meinem Verleger Gunnar Cynybulk durch den Text spaziert. Eine tolle Erfahrung. Gunnar schafft es die letzten Unebenheiten zu glätten, verirrte offene Fäden zusammenzuführen und mich zu motivieren, dass ich mich noch mal in den Text begebe, um ihn noch besser zu machen. Dann hatte ich auch noch ein Fotoshooting mit Susanne Schleyer. Ein großer Spaß.

Jetzt heißt es noch mal reinhauen, noch fünf Tage, dann endet eine Reise, die vor gut sieben Jahren mit einem sehr kleinen Text angefangen hatte, in dem ein insolventer Schlachthof ein letztes Schwein schlachtet.

Gedacht war dieser Text auch als eine Homage an eine Punkband, die ich sehr mag. Dann wurde daraus mehr. Zu der Schlachtszene kamen andere Szenen hinzu. Dann noch mehr. Schließlich flog wieder etwas heraus, neue Figuren kamen, andere gingen. Erzählperspektiven änderten sich. Immer wieder saß ich an diesem Konstrukt, und ohne, dass ich es merkte, hatte ich den Stoff für meinen ersten großen Text gefunden.

Die Figuren und die Geschichte begleiteten mich nun durch die restlichen Jahre meines Studiums, am Deutschen Literaturinstitut. Durch sehr glückliche Umstände kam Gunnar an den Text, und vor einem Jahr lernten wir uns kennen. Gunnar zeigte mir die starken Stellen an dem Text, erklärte mir gut zwei Stunden lang, was alles gut und richtig war. Und dann stellte er mir, so ganz nebenbei, ein paar kurze Fragen: Könnte man nicht hier eine Figur streichen? Könnte man nicht dort etwas hinzufügen? Hier etwas straffen, dort etwas ausführen?

Er sagte, dass ich darüber mal nachdenken solle, und ich ging zum Tempelhofer Feld, lieh mir einen Elektroscooter, der auf einmal sehr laut zu Piepen anfing, als ich inmitten der alten Landebahn war. Mit hochrotem Kopf fuhr ich den Scooter vom Flughafengelände, setzte mich später in den Zug nach Hause, und ging in Gedanken Gunnars Fragen und Anmerkungen durch.

Zu Hause fing ich an den ganzen Text umzuschreiben.

Und jetzt, ein Jahr später, bin ich fertig. Also fast.

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Eintrag 0008

09.10.2021:

Denke ich an meine Kindheit und Jugend zurück, taucht immer wieder dieses Bild von dem Nebel auf, der sich über Nacht auf den Acker gelegt hat. Dazu dann dieses flache, nicht enden wollende Land, durchzogen von Gräben, umstanden von Baumgruppen. Das erste was ich sah, wenn ich das Hoftor aufschob, war dieses Bild. Jeden Tag. 

Es ist noch da. 

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Eintrag 0007

12.09.2021:

Ich stand vor Eli‘s guter Stube. Tausendgeschichteneli. Anfang der achtziger hatten sie ihn rausgeworfen und Mitte des Jahrzehnts war er wieder da.

Mit dem Ballon vom Timmendorfer Strand bis nach Dassow. Einen Tunnel vom Wedding direkt zum Prenzlauer Berg. Mit dem Zug nach Wien, von da aus mit einem Schlepper in die Tschechei und dann zu Fuß nach Dresden. Mit einem geklauten Diplomatenpass einfach durch den Grenzposten. Der wollte zurück. Der kam zurück. Noch nie war ich in dieser Kneipe und doch meinte ich alles zu wissen. Jeder wusste Bescheid und keiner wollte drin gewesen sein. Eine begehbare Bildzeitung.

Ich stand vor der Tür und überlegte. Warum war ich allein hier? Laut meinem Handy war es dreiviertel elf. Karsten oder Thomas würden nicht mehr kommen und hinter der Tür war gerade Säuferstunde. Egal, was da drin auf mich wartete, es war noch wach. Ich schaute auf die Milchglastür. Aufkleber. Ein Mann auf einen fliegenden Teppich, darunter der Spruch: Gute Heimreise. Daneben ein anderer Aufkleber: Hier wird Dart gespielt!, und noch einer: Opa war in Ordnung, unsere Großväter waren keine Mörder! Ich schaute auf die Aufkleber, ließ das alles noch mal kurz auf mich wirken und drückte die Tür auf.

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Eintrag 0006

06.08.2021:

Als wir über die Grenze gefahren sind, kurbelte er das Beifahrerfenster runter und wuchtete seinen Oberkörper aus dem Fenster.

Dann öffnete er sich draußen ein Bier, trommelte auf dem Dach herum und brüllte: „Neuken in de keuken en nietbetalen!“

Schließlich zog er sich sein Bier auf Ex runter, warf die leere Flasche auf die Fahrbahn, zog sich wieder in den Wagen und schlief ein.

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Eintrag 0005

12.07.2021:

Am Wochenende habe ich meinen Verleger getroffen, dessen Namen ich hier noch nicht verraten möchte.

Nach langer Zeit, in der ich ins blaue hineingeschrieben habe, tat es gut, eine Außenperspektive auf meinen Text zu bekommen. Ich glaube ich bin auf dem richtigen Weg.

Und jetzt heißt es schreiben, schreiben, schreiben. Und dazwischen will ich nichts, aber überhaupt gar nichts, mit Literatur zu tun haben.

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Eintrag 0004

18.06.2021:

Verrückte Zeiten. Ich dachte, dass ich mir da nur ein Spielzeug aus Plastiksteinen gekauft und zusammengebaut habe.

Und dann kann das Ding sogar schreiben.

Irre!

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Eintrag 0003

01.06.2021:

Eine Website von jemanden der in Leipzig lebt, funktioniert nicht ohne ein Foto vom Fockeberg. München hat seine Eisbachwelle, Berlin seinen Fernsehturm, Halle hat die Straße in Richtung Leipzig und Leipzig hat sein Fockebergfoto, aufgenommen in Richtung Innenstadt.

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