01.05.2022:
Ich traue es mich gar nicht zu sagen, aber es ist schon später Nachmittag und ich habe heute noch keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Dabei ist der 1. Mai ein wichtiger Tag für einen ordentlichen Leipziger, denn es gibt genau zwei Dinge, die er an diesem Tag ausüben sollte:
1. Natürlich zum Aufgalopp gehen. Auf der Leipziger Pferderennbahn (Luftlinie 480m zu meiner Wohnung, gerade mit Google-Maps nachgemessen) dem berühmten Treiben beiwohnen. Hier gibt es teure Autos, große Hüte und schnelle Pferde. Aber ganz ehrlich, das ist nicht mein Ding. Ich habe mir das vor ein paar Jahren mal aus der Entfernung angesehen, und ich weiß echt nicht, was am Pferderennen so interessant ist. Vielleicht bin ich auch ein Kulturbanause, gut möglich. Andererseits gibt es genug Schriftsteller, die sich stark mit Pferderennen identifizieren, oder wie Bukowski identfiziert haben.
2. Man kann am Connewitzer Kreuz zugezogenen Schwaben aus Berlin zusehen, wie sie einmal im Jahr ihren Beitrag zur Gentrifizierung leisten. Das ist lustig, über die Jahre hinweg aber auch ein bisschen ermüdend.
Da bleibe ich doch heute gern zu Haus. Nun kann man mir vorwerfen, dass ich zu einer ordentlichen Mai-Demo hätte gehen können. Was ist das denn für einer? Schreibt über Arbeiter und geht am 1. Mai nicht zur Demo? Ja, schuldig, im Sinne der Anklage. Der schreibende Arbeiter geht morgen arbeiten, und hat keine Lust auf Arbeitergedöns am Sonntag.
Übrigens, diese Woche habe ich auf der Arbeit erfahren, dass der 1. Mai seinen Ursprung in Amerika hätte. Ich werde das jetzt nicht nachprüfen, vielmehr mag ich unreflektiert nachschwatzen, was mir da zu Ohren gekommen ist. Warum ich das hier erwähne? Nun, ich habe (wie unten auf dem Foto zu sehen ist) das große Los gezogen und fahre nach Amerika! Keine Angst, auch dort werde nicht zu Demonstrationen gehen oder ähnliches. Nein, viel besser! Ich darf im Oktober an der University of Idaho kreatives Schreiben unterrichten. Ja, wie krass ist das denn? Ich, der doch noch vor ein paar Monaten ein ganz beschauliches Leben im Arbeitermilieu geführt hatte, werde mit den dortigen Studierenden über deren Texte reden. Geil! Bis es soweit ist, könnt ihr mich auf diversen Lesungen treffen. Nächste Woche schon im Leipziger Hugendubel, dann bald in Berlin, Meißen, Dresden, Zürich und vielleicht sogar mal in Ulm. Lassen wir uns überraschen.
So, und ich gehe jetzt besser doch noch raus. Der Heli flattert nicht mehr über meinem Wohngebiet, die connewitzer Schwaben scheinen fertig zu sein.
Ps: Jetzt wollte ich noch einen kessen Witz machen und mich wie ein Schwabe hier verabschieden, aber anscheinend haben die bis auf „Adee“ keine eigenen Abschiedgrüßle. Unfassbarle, isch denn des zu glauben?